“Wahnsinn hoch drei!” Was der unbekannte DDR-Schildermaler 1989 auf diesem Foto von Herbert Piel ausdrücken wollte, ist heute Geschichte. Diese erste große Plecher Fotoausstellung anno 2014 war einem Generalthema gewidmet: dem Mauerfall am 9. November 1989 der “Frontstadt” Berlin und der Ex-DDR: drei Fotografen, drei Temperamente, drei Herangehensweisen.
Inhaltsverzeichnis
Wahnsinn! Wahnsinn! Wahnsinn!
Der Mauerfall am 9. November 1989 war in vielerlei Hinsicht und für viele Menschen Wahnsinn. Eine Ausstellung in Plech zeigte diese turbulente Zeit aus drei Blickwinkeln mit Bildern dreier ganz unterschiedlicher Fotografen. Die Ausstellung wanderte vom 3. bis 12. Dezember 2014 ins Landratsamt Bayreuth und ging im Frühjahr 2015 nach Gemünden…
Was die Herbert H. Piel (Boppard), Jens Horst Werlein (Schwäbisch Gmünd) und Kurt Tauber (Pegnitz) “damals” sahen und im Bild festhielten, ebenfalls “Wahnsinn” – jeder zu seiner Zeit und am jeweiligen Ort. Und interessanterweise einer nach dem anderen.
Kurt Tauber
Bei Ausflügen im Raum Meiningen – Schmalkalden – Suhl – Eisenach fotografierte Kurt Tauber fleißig und brachte einige hundert Farbdias mit nach Hause (und animierte damit die Stasi, eine Akte über ihn anzulegen, die er sich später von der Gauck-Behörde in Kopie zusenden ließ). Das Haus der Geschichte (hdg) in Bonn kaufte eine Auswahl seiner Bilder für Ausstellungen zum Thema DDR an. Sein Foto “Datsche und Trabi” erschien in mehreren deutschen und osteuropäischen Schulbüchern.
In Berlin hielt sich Kurt Tauber erstmals als 18-Jähriger im März 1970 auf Abiturfahrt auf und fotografierte seine ersten Mauerbilder. Spätere Besuche – dienstlich und privat – häuften sich ab 1980. Damals entstanden viele Fotos der Berliner Mauer und auch Aufnahmen in Ost-Berlin.
Sachkundiger Fremdenführer war immer Taubers Freund und Journalistenkollege Robert Seifert vom SFB (heute RBB), der auch die “Sehenswürdigkeiten” kannte, die nicht von “Mauer-Touristen” überlaufen waren.
1989 – im Frühjahr, also Monate vor dem Mauerfall – zeigte der Pegnitzer Fotograf und Zeitungsredakteur bereits bei seiner Ausstellung “Bilder & Apparate” anlässlich des 150-jährigen Jubiläums der Fotografie einige Reportagefotos von der Berliner Mauer. Zum 25-jährigen Jubiläum des Mauerfalls bekamen diese Aufnahmen eine neue Aktualität.
- Anlässlich dieser “Mauer-Ausstellung” veröffentlichte Tauber auch sein “Mauer-Buch”
- Hintergrund zu Taubers zwei DDR- und Berlin-Reisen vor dem Mauerfall
Jens Horst Werlein
Werleins Fotos von damals blieben bewusst und voller Absicht viele Jahre seine ganz persönlichen, privaten Erinnerungen an diese denkwürdige Nacht und wurden bisher nie in einer Zeitung oder Zeitschrift veröffentlicht.
Zum 20-jährigen Jubiläum des Mauerfalls zeigte Werlein eine Auswahl in einer Berliner Ausstellung, wo er auch einige Prints in limitierter Auflage anbot.
2014, fünf Jahre später, beteiligte sich Werlein, der inzwischen zum harten Kern der Plecher Museumsmacher gehörte, mit den damaligen Aufnahmen an der Ausstellung im Deutschen Kameramuseum.
Herbert H. Piel
Der Dritte im Bunde war der bekannte deutsche Fotograf und Bildjournalist Herbert H. Piel (Bild/geboren 1957) aus Boppard, der unter anderem für internationale Agenturen wie Reuters, Associated Press (ap) und die Deutsche Presse-Agentur (dpa) sowie als Auftragsfotograf für den Stern, die Bunte und den SPIEGEL gearbeitet hat. Piel ist auch seit Mai 2014 Lehrbeauftragter der neuen “Leica MasterClass” im Bereich Reportage, zunächst in Berlin, München, Frankfurt, Hamburg und Salzburg.
Die Themen die er beisteuerte, passen in die oben beschriebene Chronologie. Ob mittlerweile verschwundene Berufsstände wie Korbmacher, Blautonerin, Panflötenbauer in Erfurt, oder auch Reaktionen der ehemaligen DDR-Bürger auf die neu gewonnene “Freiheit”, oder offizielle politische Besuche und Begebenheiten wie die zweite Fensterrede Willy Brandts in Erfurt oder der erste Besuch Hans-Dietrich Genschers in seiner Heimatstadt Weimar – all diese Motive hielt Herbert Piel mit der Kamera fest.
Fotos und Dokumente von Kurt Tauber
Die Fotos von Jens Horst Werlein
Übrigens: Jens Werlein und die Lego-Steine
Jens Werlein reist in der ganzen Bundesrepublik herum, um Workshops zum Bau dieser pfiffigen Kameras zu veranstalten: zurück zu den Wurzeln der Fotografie.
Übrigens: Die erste Lego Largeformat Camera aus der “Manufaktur Werlein” ist “natürlich” im Deutschen Kameramuseum zu bewundern. Warum? Weil Werlein nicht nur ein guter Fotograf und Hochschullehrer, sondern auch ein netter Mensch ist!
Die Fotos von Herbert Piel
In seinen Aufnahmen zeigt der renommierte Reportagefotograf Herbert H. Piel aus Boppard am Rhein nicht nur die Ankunft der Flüchtlinge, sondern auch die Arbeit der vielen behördlichen und ehrenamtlichen Helfer. Die vielen Aufnahmeeinrichtungen für Asylbegehrende in Rheinland-Pfalz wurden gebeten, Piel bei der Arbeit zu unterstützen und Zugang zu den Flüchtlingsunterkünften zu gewähren, umso ein Zeitdokument der aktuellen und unbeschönigten Situation zu schaffen.
Die Aufnahmen, die Piel meist mit Leicas M Monochrom II in Schwarzweiß anfertigte, zeichnen ein berührendes Bild der vielen tausend Menschen die inzwischen in den verschiedensten Aufnahmeeinrichtungen leben: spielende und lernende Kinder, gelöst wirkende Erwachsene, skeptisch aber auch hoffnungsvoll in die Kamera blickende Teenager. Seltener gerät das Provisorische und Beengte der Situation ins Blickfeld, das aber angesichts des erlebten Leids, das aus manchen Kinderaugen spricht, auch fast jegliche Bedeutung verliert.
Impressionen von der Ausstellung
“Wahnsinn! Wahnsinn! Wahnsinn!” stand als Motto über der Ausstellung, die das Deutsche Kameramuseum in Plech mit den drei Fotografen Herbert Piel (Boppard), Jens Werlein (Schwäbisch Gmünd) und Kurt Tauber (Plech) durchführte. Diese drei Chronisten empfanden das, was sie “damals” sahen und im Bild festhielten, ebenfalls als Wahnsinn – jeder zu seiner Zeit und am jeweiligen Ort. Am Sonntag, 9. November 2014, fand die gelungene Vernissage statt, am 30. November die Finissage. Das war die erfolgreiche Feuertaufe für die neuen Ausstellungsflächen im Treppenhaus des Kameramuseums. Auf dieser Seite finden Sie Fotoimpressionen von der Ausstellung und vom Aufbau. Die Fotos stammen von Andreas Wolf, Herbert Piel, Jens Werlein, Alexander Tauber, Cysha Drescher und anderen Museumsfreunden.