2018: „70 Jahre Polaroid – 70 Polaroid-Fotos“ (Kurt Tauber / Jens Horst Werlein)

Bild: Kurt Tauber

Auch mit Polaroid-Fotos und -Kameras kann man – ganz analog und völlig ohne Photoshop – verblüffende Effekte erzielen, wie auf diesem SX-70-Originalfoto auf dem Ausstellungsplakat zu sehen ist: Bild im Bild im Bild…

Die Polaroid-Fotografie gab es im Jahr 2018 bereits seit gut 70 Jahren. Im Deutschen Kameramuseum waren aus diesem Anlass bei einer Ausstellung 70 Polaroid-Fotos zu sehen – je 35 von Kurt Tauber und Jens Horst Werlein.

Huldigung an die Sofortbild-Fotografie

Der Markenname Polaroid war lange Zeit das Synonym für Sofortbildkameras. Selbst wenn Kodak Sofortbildkameras (die später aus Patentrechtsgründen vom Markt genommen werden mussten) verkaufte, sprach das Foto-Volk von „Polaroids“. Auch Fuji stellte – und stellt noch – Sofortbildkameras her. Heute spielen die klobigen Knipskästen kaum mehr eine Rolle – leider, denn Polaroid-Fotografie hatten schon immer ihren Reiz. Eine Sonderausstellung 2013 im Deutschen Kameramuseum in Plech zeigte die Vielfalt und Raffinesse der „Hardware“. Polaroid selbst produziert übrigens heute keine Kameras oder Filme mehr, aber es gibt Nachfolgeprodukte oder wieder aufgearbeitete und sogar neu konstruierte Kameras. Wenn nur die Filme, die es heute auch wieder gibt, nicht so teuer wären.  Auch TV Oberfranken gab sich 2018 die Ehre und berichtete immerhin zwei Minuten und 34 Sekunden. 

Die Foto-Ausstellung beschränkte sich aus konzeptionellen Gründen übrigens ausschließlich auf die Präsentation von SX-70-Unikaten. Andere Fotoformate und Marken (Kodak, Fuji) blieben unberücksichtigt.

Die Entwicklung

Der amerikanische Physiker Edwin Herbert Land (1909-1991) bekam 1933 für die von ihm entwickelten Polarisationsfolien ein Patent erteilt. Mit ihnen machte sich Land selbstständig und gründete 1937 in Boston eine eigene Firma namens Polaroid. Unter diesem Markennamen wurden unter anderem auch entspiegelte Sonnenbrillen angeboten.

Die erste Polaroid-Sofortbildkamera – der Typ 95 – kam im Herbst 1948 auf den Markt, nachdem Land am 21. Februar 1947 auf der Versammlung der „Optical Society of America“ eine neuartige Kamera vorgestellt hatte, der man kurz nach der Aufnahme ein fertiges Positivbild entnehmen konnte. Obwohl damit zunächst nur Schwarzweißfotos möglich waren, wurde schon 1956 die millionste Kamera verkauft. Vier Jahre später beschäftige die Polaroid Corporation in Boston, Massachusetts, bereits über 2500 Mitarbeiter. 2008, viele Jahre, später ging Polaroid in Konkurs, Nachfolgefirmen bemühten sich um die Produktion für Nachfolgefilme für die existierenden Kameras. So gibt es heute wieder zum Beispiel SX-70-Packfilme. Die Erfolgsgeschichte von „Polaroid“, die mit der Spiegelreflexkamera SX-70 ihren Höhepunkt hatte, geht also weiter.

Sehr bekannt und beliebt waren diese Sofortbild-Kameras (1972 bis 1985) für farbige Sofortbilder: Eine einäugige Spiegelreflex mit allen Finessen für die SX-70-Polaroid-Packfilme (Bildformat: 8 x 8 cm).

Die Macher: Kunst versus Dokumetation

Der Schwäbisch Gmünder Hochschullehrer und Berufsfotograf Jens Werlein, ein ausgewiesener Polaroid-Kenner und -Künstler.
Kurt Tauber (auf einem Polaroid von 1970), setzt Sofortbildkameras beruflich wie privat seit 1970 ein.

Aus Anlass des Jubiläums „70 Jahre Polaroid“ zeigte das Museum vom 8. Mai bis 31. Mai 2018 insgesamt 70 Originalfotos, die mit der legendären Polaroid-Spiegelreflexkamera SX-70 von zwei Fotografen unterschiedlichen Temperaments und unterschiedlicher Bildersprache aufgenommen wurden: 

Museumsleiter Kurt Tauber, 40 Jahre Pressefotograf und seit 1970 Polaroid-Verwender, und Jens Horst Werlein, Werbefotograf und Hochschullehrer, öffneten ihre Archive.

Während Werlein Polaroid seit den 1980er Jahren überwiegend als künstlerisches Medium und für Probeschüsse in seinem Fotostudio einsetzte und einsetzt, begann Taubers persönliche Polaroid-Geschichte im September 1970 mit seinem Dienstantritt als Volontär bei der Tageszeitung Ingolstädter Donau Kurier, als er von seinem damaligen Volontärsvater in der Lokalredaktion Hilpoltstein mit einer Sofortbildkamera der 100er-Serie –  farbig (!) beim Zeitungslesen abgelichtet wurde. Das hier gezeigte SW-Bild vom „rasenden Reporter“ entstand wenige Wochen später auf Polaroid-SW-Trennbildmaterial.

Obwohl beide denselben Apparate-Typ verwendet haben, fallen die Ergebnisse sehr unterschiedlich aus: Tauber setzte das Sofortbildmedium anfänglich rein beruflich ein, um die Zeiten zwischen Fotoereignis und Redaktionsschluss um eine Stunde zu verkürzen, Werlein schuf sich mit Polaroid künstlerische Freiräume als Ausgleich zum streng geregelten und geplanten Alltag als Werbefotograf. 

Die Ausstellung „70 Jahre Polaroid – 70 Polaroid-Fotos“ bezog aus diesen unterschiedlichen Ansätzen ihren besonderen Reiz zusätzlich zu der Verschiedenheit der Motive.

Jens Horst Werlein

Der 1959 geborene Fotograf aus Schwäbisch Gmünd stellt seinen Ausstellungsbeitrag – 35 SX-70-Bilder in einem sehr konzentrierten geometrischen Rahmen-Tableau (Bild) – unter die Überschrift „Die Freiheit des Polaroids für einen seriösen Werbefotografen und Hochschullehrer“:

„Was macht den Alltag eines Fotografen und Dozenten für Fotografie aus? Meist dann doch die Pflichterfüllung, eine saubere Arbeit, sowohl in der Gestaltung, als auch in der technischen Umsetzung im Kundensinne zu erstellen. 

Dies gilt natürlich ebenso für die Lehraufgabe für und mit Studierenden.

Werlein präsentierte seine Polaroids in Form einer "Rasterwand"

Da ist für eine sogenannte künstlerische Freiheit kein Raum! Also ab damit in die Freizeit, Freiheit im direkten sofort umsetzbaren Unikat. So entstehen komplett andere Bilder als gewohnt, ohne Netz und doppeltem Boden. Das Risiko des Nichtgefallens bleibt – aber es ist ja auch nur meine ‚Freibildnerei‘“.

Die erste eigenständige Berührung mit dem Medium Polaroid ergab sich für Werlein 1978 mit dem Erwerb einer gebrauchten SX 70 zu 60 DM und eines Farbfilms mit zehn Bildern zu 15 Mark bei einem Lehrlingsgehalts von 270 DM. Der freien Kunst waren demnach noch Grenzen gesetzt, günstige Ernährung (Kennt jemand noch die Erbswurst?) war dabei immer hilfreich.

Nach der Ausbildung kamen dann immer mehr an Kameras zusammen und alles an Filmen in Farbe und Schwarz-Weiß was zu finden war. Wie viele andere Polaroid-Fotografen hat Werlein viele seiner spontanen Werke nicht mehr: „Viele Bilder haben damals als Geschenke ihre Abnehmer gefunden.“ Ein Polaroid-„Lieblingsbild“ hat es für Werlein nie gegeben: „Es ist jeweils immer der besondere Moment gewesen, der mir in diesem Moment wichtig war.“ Beruflich hat Polaroid immer für den Werbefotografen eine kleine, sehr pragmatische Rolle gespielt: nämlich ausschließlich zur Belichtungskontrolle im Studio.

Kurt Tauber

Der 1951 geborene Plecher Museumsleiter, über 40 Jahre Text- und Bildjournalist in Ingolstadt, Hilpoltstein, Beilngries, Bayreuth und Pegnitz, besitzt noch das Foto, mit dem seine berufliche und private Beschäftigung mit Polaroid begann: 

Sein damaliger Chef machte 1970 bei Dienstantritt in der Donau-Kurier-Redaktion Hilpoltstein ein Pola vom Zeitung lesenden Volontär (Bild) – sogar schon in Farbe, vermutlich mit einer Polaroid Land Camera 230 oder ähnlich

In vielen kleinen Zeitungsredaktionen auf dem Lande war es damals üblich, an Sonntagen, wenn das Fotolabor in der Zentrale nicht oder nur knapp besetzt war, Verkehrsunfälle wie Vereinsehrungen, Faschingsbälle wie Fußballspiele auf Polaroid festzuhalten – ungeachtet der vorhersehbaren qualitativen Schwächen.

Für den jungen Volontär Tauber war das oft eine zusätzliche Einnahmequelle: Vor allem bei Faschingsbällen wollten viele närrischen Besucher zu fortgeschrittener Stunde unbedingt solche faszinierende Sofortbilder von sich und ihrer Eroberung und Tauber tat ihnen für fünf Mark den Gefallen. Das Bild kostete ihn etwa zwei Mark. Vom Verlag bekam er vier Mark für ein veröffentlichtes Bild und die Filmkosten musste er selbst tragen: damals teure 20 Mark für den Filmpack mit zehn Aufnahmen. Dazu kamen die Kosten für die Blitzbirnchen.

Taubers erste eigene Sofortbildkamera war wie bei Werlein eine SX-70, eine faltbare Spiegelreflexkamera für Farbfilme. Damit fotografierte er – auch – Pressefotos: einen schweren Verkehrsunfall oder die Gratulationscour für den neuen Bürgermeister bei Gemeinderatswahlen noch schnell nach Redaktionsschluss. Denn mit der herkömmlichen analogen Kleinbildkamera hätte das vom Foto bis zum fertigen Bild etwa eine Stunde länger gedauert. Zu lange, um noch rechtzeitig ins Blatt zu kommen.

Hauptsächlich benutzte Tauber seine SX-70 aber wie Werlein privat: Porträts, Schnappschüsse vom neuen Auto, die Tochter gleich nach der Geburt im Krankenhaus – all das, was man schnell der Oma oder Freunden zeigen möchte, ohne tagelang auf das Filmentwickeln beim Fotografen und die Abzüge warten zu müssen. Denn die Einstunden-Labore gab es damals noch nicht.

Tauber wollte keine Kunst produzieren oder groß experimentieren, sondern nutzte das Sofortbildmedium schlicht und einfach für den Zweck, für den es erfunden war: Fotos innerhalb weniger Minuten in seinen Händen zu halten.

Übrigens: Sie suchen eine Bedienungsanleitung für Ihre Polaroid-Kamera? Dann sind nutzen Sie unseren Service für Bedienungsanleitungen.