Eine Kamera, die den Museumsmitarbeitern anfangs Rätsel aufgab. Seit einer Veröffentlichung bei Facebook besteht Klarheit: Es handelt sich um eine englische Multiplikatoren- beziehungsweise Briefmarkenkamera, gebaut um 1901 vom großen Londoner Kamerahersteller Houghton & Son unter der Markenbezeichnung Holborn. Mit einer Belichtung wurden gleichzeitig neun Aufnahmen gemacht.
Das schmucklose Holzgehäuse – oft mit Stoff überzogen – hat neun Meniscus-Glasobjektive, die aber von vorne nicht zu entdecken sind. Dort sieht man nur bei genauem Hinsehen neun Löcher von jeweils wenigen Millimetern Durchmesser. Einen Verschluss gibt es nicht, die Entfernungseinstellung ist durch den Vorlagenhalter auf einen bestimmten Abstand fixiert. Es handelt sich hier also um eine Art Reprokamera zur Vervielfältigung zum Beispiel von Porträtfotos. Das würde erklären, warum die Objektive nicht lichtstark sind. Da nichts verwackeln kann, waren lange Belichtungszeiten ja kein Problem. Der Vorlagenhalter ist über ein Scharnier fest mit der Kamera verbunden und ist hochklappbar.
Ab den 1880er Jahren war es in Mode gekommen, Fotos auf Karten, Buttons oder eben auf nachgeahmten Briefmarken herzustellen, indem man sie mit solchen Apparaten – verkleinert – vervielfältigte. Die Repros wurden mit einer Art Stempelgerät zu einer “Briefmarke” veredelt.
Die Originalverpackung trägt keinerlei Aufschrift, auf dem Deckel ist ein Block von neun Porträts in Briefmarkengröße abgebildet, die auf den Verwendungszweck der Kamera hinweisen.
Die Holborn war für den Amateurgebrauch gedacht und deshalb auch recht preiswert zu haben. Die Kamera wurde in verschiedenen Formaten hergestellt. Ähnliche Briefmarkenkameras wurden von Sichel, J. Lancaster, Butcher (Royal Mail) und anderen verkauft. Bereits 1887 wurden diese ersten Stamp Cameras produziert (Hyatt).