Gardena: Agfa-Einwegkameras aus Tschechien für Coca Cola, Good Year oder Real Madrid

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Bild: Kurt Tauber

30.000 Exemplare dieser Agfa-Einwegkameras mit oder ohne eingebautem Blitz wurden von 2001 bis 2003 pro Tag (!) in Tschechien auf den Spritzgussmaschinen der deutschen Firma Gardena für internationale Agfa-Kunden hergestellt. Sie haben richtig gelesen: 30.000 Einwegkameras pro Tag! Eine Dokumentation über diese kaum bekannte Randnotiz der deutschen Kameraindustrie anhand einer Privatsammlung, die dem Deutschen Kameramuseum anvertraut wurde.

Ein "Film mit Linse" für alle möglichen Auftraggeber

Eine Spende von etwa 80 Einwegkameras erhielt das Deutsche Kameramuseum von einem Sammler aus der Ulmer Gegend im September 2017 zugeschickt. Darunter befanden sich immerhin 60 verschiedene Modelle, die aber grundsätzlich auf zwei Typen basieren: einer Agfa-Kamera ohne Blitzgerät und einem Kameramodell mit eingebautem Elektronenblitz. Hergestellt wurden die als Verkaufsartikel oder als Give Aways von großen Firmen konzipierten “Linsen mit Film” interessanterweise von der Firma Gardena in einem OEM-Projekt in Tschechien.

Gardena gehörte damals seit etwa 2006 zum schwedischen Husqvarna-Konzern, der alles Mögliche an Gartengeräten von der Motorsäge bis zum Sitzrasenmäher und Mähroboter fabrizierte. Eine der Tochterfirmen von Gardena saß in Tschechien, wo für internationale Auftraggeber Spritzgussartikel hergestellt wurden – von 2001 bis 2003 eben auch Einwegkameras für Agfa. Produktionsstart war im März 2001 mit tollem Erfolg für das Projekt, aber leider nicht für die Firma Agfa. Deren Tage waren gezählt. Agfa als Konzern insgesamt befand sich schon in freiem Fall und so wurde nach nur zweieinhalb Jahren das Projekt eingestellt.

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Eine kleine Übersicht über das damalige Agfa-Angebot an Einweg-Werbekamers für internationale Marken. Foto: Kurt Tauber

Bis dahin wurden pro Tag im Dreischichtenbetrieb bis zu 30.000 Exemplare dieser Kameras produziert. Dank  der Spende eines mit der Planung und Herstellung vertrauten deutschen Fotofreundes sind jetzt fast alle damals produzierten Agfa-Muster im Deutschen Kameramuseum versammelt. Die Linsen und der Film stammten aus Deutschland, das Kunststoffgehäuse aus Tschechien und die Verpackung bekamen die Artikel im fernen Australien, wie dem Aufdruck auf vielen Kameras zu entnehmen ist.

Das typische Modell einer Agfa-Einwegkamera mit eingebautem Blitz und 27 Bildern (“24 + 3”) auf Kleinbildfilm. Den Kamera-Body gab es in vielen Farbnuancen. Sogar einige Prototypen mit durchsichtigem Gehäuse wurden gebaut, aber nicht in Serie produziert.

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Es gab einige Muster von durchsichtigen Einwegkameras wie hier in gelb ...
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... blau oder grün, aber es blieb bei diesen Prototypen. Fotos: Kurt Tauber

Einwegkameras sind – wie schon der Name sagt – Fotoapparate, die nur einmal mit einem Film (meist 27 Kleinbildaufnahmen 24 x 36 mm) bestückt werden. Zum Entwickeln wird die ganze Kamera beim Fotohändler oder im Labor abgegeben.

Das Kunststoffgehäuse wird geöffnet, der Film entnommen, die Kamera wird zerlegt und das Gehäuse zu Granulat geschreddert und möglichst recycelt. Einwegkameras, oft auch bezeichnet als “Film mit Linse”, waren in den 2000er Jahren als problemlose Knipskästchen für den Urlaub oder als Party-Gag sehr beliebt.

In touristischen Zentren kann man sie heute noch häufig kaufen, etwa wenn gerade keine eigene Kamera zur Hand ist oder die eigene Ausrüstung defekt wurde oder verloren ging. Einwegkameras sind immer noch beliebt als Werbegeschenke zum Beispiel von großen Markenherstellern wie Coca-Cola oder Good Year oder anlässlich besonderer Events wie dem “Deutschen Filmball 2003”. Selbst der Fußballclub Real Madrid hatte bei Agfa Einwegkameras als Fanartikel geordert.

Alle mit Aufkleber beziehungsweise einer Verpackung versehenen Typen wurden auch so verkauft bis auf die transparenten Apparate und andere Farbversuche (siehe Fotos) – die blieben Muster, die nicht mehr in den Handel kamen.

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Das Spritzgussgehäuse dieser Kameras wurde jeweils bei Gardena in Tschechien hergestellt, eine Firma, die eher für ihre Gartengeräte mit ihrem praktischen Schnellverschluss bekannt wurde, aber auch viele internationale Firmen mit Spritzgussteilen versorgte und versorgt. Film und Linse stammten aus Deutschland, verpackt wurde alles im fernen Australien. Üblicherweise beträgt das “Haltbarkeitsdatum” bei solchen Filmen etwa zwei Jahre. Wenn die Kamera also laut Aufdruck bis Oktober 2005 verwendet werden sollte, wurde sie im Herbst 2003 hergestellt. Foto: Kurt Tauber

Einige der Highlights aus dieser sehr speziellen Sammlung