Dr. Dr. Rolf Herbert Krauss, Stuttgart

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Bild: Kurt Tauber

Der 1930 in Stuttgart geborene Kaufmann, Unternehmer, Fotograf, Sammler, Autor und Kunsthistoriker Dr. Dr. Rolf Herbert Krauss (1930-2021) war eine herausragende Persönlichkeit in der Fotoszene und ein großherziger Mäzen, der viele Museen und Bibliotheken noch zu Lebzeiten mit seinen Schätzen bedachte. 2017 hat er seine umfangreiche Sammlung von 300 Einwegkameras, 180 Disc-Kameras und anderen Objekten dem Museum in Plech kostenlos übergeben. Andreas Wolf und Wolfgang Kreib, zwei der engagiertesten Aktiven des Deutschen Kameramuseums, holten die Schätze in Stuttgart ab.

Dr. Dr. Krauss: Ein Großer der deutschen Fotoszene

PLECH/STUTTGART. Wenige Tage, nachdem uns ein Karton mit 80 Einwegkameras aus tschechischer Produktion für AGFA und AGFA-Kunden erreichte, wurde das Deutsche Kameramuseum mit 300 weiteren – jeweils unterschiedlichen (!) – Einwegkameras internationaler Herkunft (13 Kartons) und mit 180 Disc-Kameras und rund 50 Disc-Filmen (insgesamt sechs Kartons) bedacht – alles in nahezu fabrikneuem Zustand, original verpackt. Der Stuttgarter Mäzen Rolf H. Krauss hatte uns diese Raritäten kostenlos überlassen. Beide Sammlungen konkurrieren nicht etwa miteinander, sondern ergänzen sich vortrefflich. Hier die internationalen Einwegkameras, dort nur die AGFA-Modelle, die von Gardena in Tschechien produziert wurden. Zufälle gibt’s…

Der edle Spender ist kein geringerer als der 1930 in Stuttgart geborene Kaufmann, Unternehmer, Fotograf, Sammler, Autor und Kunsthistoriker Dr. Dr. Rolf Herbert Krauss (1930-2021).

Er studierte ab 1952 an der Universität München Staatswirtschaft und promovierte 1956 mit einer Arbeit über das betriebliche Vorschlagwesen. Von 1956 bis 1991 führte er die G. A. Krauss KG Stuttgart in der dritten Generation, bis er sie 1991 verkaufte.  

1966 in die Deutsche Gesellschaft für Photographie berufen, war Krauss von 1977 bis 1996 Vorsitzender der Sektion Geschichte und Archive. In dieser Funktion organisierte er viele hochkarätige Veranstaltungen der Sektion. 1977 gründete Krauss das Mitteilungsblatt DGPh intern, dessen verantwortlicher Redakteur für seine Sektion er bis 1996 war. 

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Der große Pkw-Kombi konnte die 19 Kartons voller Disc- und Einwegkameras kaum fassen. Insgesamt wurden an einem Sonntag im September 2017 gut 180 Disc-Kameras, 50 originalverpackte Disc-Filme sowie 300 Einwegkameras aus aller Welt in fabrikneuem Zustand abgeholt. Ein weiterer Riesen-Zuwachs für das Plecher Museum. Foto: Andreas Wolf

Krauss trug maßgeblich dazu bei, dass der seit 1978 verliehene Erich-Stenger-Preis (seit 2012 DGPh-Forschungspreis Photographiegeschichte) auf akademisches Niveau gehoben wurde. Dem leidenschaftlichen Sammler sind eine ganze Reihe von Kollektionen zu verdanken, die heute vielen Interessierten zugänglich sind. So wurde seine “Aufsatzdatenbank zur Fotographie” 1994 als Dauerleihgabe „Collection Dr. R. H. Krauss ” in der Graphischen Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart untergebracht und 2016 an das Deutsche Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg übergeben, wo sie als „Dr. Rolf H. Krauss-Forschungsbibliothek“ weitergeführt wird.

Die 1973 von ihm begonnene “Sammlung Kunst mit Fotographie”, bestehend aus etwa 350 Werken von 175 Künstlerinnen und Künstlern, sowie seine eigenen künstlerischen Fotoexperimente unter dem Titel „Sukzessionen” sind im Besitz der Stuttgarter Staatsgalerie. Krauss hinterlässt auch ein umfangreiches Werke als Autor fotohistorischer und fototheoretischer Bücher,  darunter der 2019 erschienene Rückblick auf 56 Jahre Sammeltätigkeit „Ich sammle also bin ich. Sammeln als Lebensentwurf”. 

Ab 1991 studierte er im reifen Alter erneut: diesmal Kunstgeschichte und Germanistik an der Universität Stuttgart und promovierte 1999 mit der Arbeit “Photographie und Literatur, zur photographischen Wahrnehmung in der deutschsprachigen Literatur des neunzehnten Jahrhunderts”. Von 1999 bis 2004 arbeitete Dr. Dr. Krauss als Lehrbeauftragter für Kunstgeschichte der Fotografie am Institut für Kunstgeschichte an der Universität Stuttgart. 

Museumsleiter Kurt Tauber: “Alle Verantwortlichen des Deutschen Kameramuseums in Plech sind stolz auf das Vertrauen, das der bekannte Sammler in uns setzt und wir freuen uns sehr über diese schon exotisch zu nennenden Neuzugänge.”

Rolf H. Krauss starb im Januar 2021 in Stuttgart, wenige Wochen nach seinem 90. Geburtstag.

Erlesene Sammlung: Die wunderbare Welt der bunten Knipskästchen

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Auch diese drei Raritäten gehören zur Spende des Stuttgarter Mäzens: Die Kameras einer Sammler-Edition waren jeweils auf 200 Exemplare limitiert und wurden 1994 als Jahresgabe an die Mitglieder des Clubs Daguerre verschickt. Jede Kamera trägt auf der Rückseite ein Wachssiegel mit der faksimilierten Unterschrift des jeweiligen Kamerapioniers, dem die Edition gewidmet ist.

In seinem Schenkungsangebot an das Deutsche Kameramuseum beschrieb Krauss seine außergewöhnliche Sammlung von Disc-Kameras so: “Die Sammlung habe ich während meiner Zeit als Eigentümer der Firma Krauss-Photo in Stuttgart zusammengetragen. Ich benutzte dabei die Geschäftsverbindungen, die ich in aller Welt hatte. Vielleicht war es die Ahnung, dass dieses System sich nicht lange halten würde, die mich dazu veranlasste. Und tatsächlich: Die Ära der Disc-Kameras umfasst, wie Sie wissen, nur sechs Jahre, von 1982 bis 1988. Im Frühjahr 1988 verkündete die Firma Kodak die Einstellung der Produktion ihrer Kameras. Filme gab es noch einige Zeit.

Klarer Anfang, klares Ende

Die Sammlung hat daher einen klaren Anfang und ein eindeutiges Ende und bietet einen sehr guten internationalen Überblick über die damalige Szene. Ich glaube nicht, dass wichtige Erscheinungsformen fehlen. Natürlich kann man bei keiner Sammlung von Vollständigkeit sprechen, aber was ich als großer deutscher Händler mit internationalen Verbindungen erwerben konnte, findet sich in der Sammlung wieder.

Die Kameras sind alle neu, ‘mint’, wie der Sammler sagt, zum größten Teil sind sie originalverpackt. Es sind eine ganze Reihe von Gadgets dabei, wie die komplette Serie der Courrege-Kameras (Externer Link), die damals viel Aufsehen erregte.”

Limitierte Auflagenserien

Wenige Tage später dann ein zweites Angebot des Stuttgarter Mäzens per E-Mail: “Einige Hundert Einweg-Kameras, die ich in der Zeit zwischen 1988 und 2000 zusammengetragen habe.” Es finden sich dort Beispiele von allen internationalen Kameraherstellern, dabei von Kodak die erste Einwegkamera “Fling”, noch im 110er-Pocket-Format, von AGFA bestückte Originalaufsteller und limitierte Auflageserien, von Fuji, Konica usw. sowie von Zweitherstellern, wie Concord und deren Abnehmern, wie die Hausmarken von Porst, Voigtländer aber auch von Give-aways oder Werbeartikel von Nicht-Foto-Firmen aller Art.

Krauss weiter in seiner E-Mail: “Es entfaltet sich ein einzigartiges kulturelles Panorama der Neunziger Jahre, bei dem aber auch die großen Foto-Marken der ausgehenden Analog-Zeit vertreten sind”. 

Ein Vorgeschmack auf die teilweise noch "ungehobenen Schätze"

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Bitte Untertitel einschalten: Dieses kleine Handy-Video gibt eine Ahnung von der Fülle und Vielfalt der Schätze, die teilweise immer noch darauf warten, dass sie von fachkundigen Mitarbeitern “gehoben” werden. Viele dieser Neuzugänge müssen noch erforscht, fotografiert und katalogisiert werden. Video: Kurt Tauber

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Ein Blick in einen der Kartons nur mit diversen international vertriebenen Fuji-Einwegkameras – originalverpackt und neuwertig! Auch das ein Teil der hochherzigen Spende von Dr. Dr. Krauss aus Stuttgart.

Die existenzielle Bedeutung des Sammelns

für das menschliche Dasein

Krauss hat übrigens ein interessantes Buch über seine Leidenschaften geschrieben: Das 224-Seiten-Werk “Ich sammle, also bin ich” erzählt die Geschichte einer Reise in die Vergangenheit von großen und kleinen Dingen, von Wichtigem und weniger Wichtigem und nicht zuletzt vom Autor selbst. 

Fast 60 Jahre lang sammelte Rolf H. Krauss und für jeden seiner Lebensabschnitte findet sich eine von 20 Sammlungen: von Kunst und Zeugnissen der Fotografiegeschichte über Stickmustertücher hin zu historischen Geräten des eigenen Unternehmens. 

“Ich sammle, also bin ich” ist eine rückblickende Beschreibung dieser Sammlertätigkeit, in der sich Sachliches und Persönliches zu einer ebenso spannenden wie nachdenklichen Autobiografie verbinden. 

Anschaulich und gewissermaßen en passant führt Rolf H. Krauss dabei die existenzielle Bedeutung des Sammelns für das menschliche Dasein vor Augen.

Kerber Verlag; 1. Edition (Januar 2019), deutsch, gebunden, Abmessungen: 17.9 x 2.8 x 24.6 cm (ISBN-10: 3735605540, ISBN-13: 978-3735605542. 

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