Plecher Museumsobjekte in einem Fachbuch über Hochgeschwindigkeits-Kinematografie

Bild: Kurt Tauber

Über 30 Jahre seines Berufslebens hat sich Thomas Wald aus Brühl bei Köln mit dem Thema Hochfrequenz-Kinematographie beschäftigt und beispielsweise bei Kodak in Stuttgart entsprechende Spezialkameras für die Industrie mit entwickelt. Nun recherchiert er als freier Autor zu diesem Gebiet der Fotografie und plant ein Fachbuch über die Geschichte der Hochgeschwindigkeits-Kamerasysteme mit bewegtem Film. Für die detaillierte Erforschung einiger Exponate des Deutschen Kameramuseums - beispielsweise der Pentacon Pentazet 35 - hielt sich Wald im September 2023 einen ganzen Tag im Plecher Museum auf.

Thomas Wald: "Sehr viel Wissen ist verloren gegangen"

 

Im April 2023 kam der erste Kontakt zustande und im September war es so weit: Fördervereinsvorsitzender Thomas Wanka nahm sich einen ganzen Tag Zeit und zusammen zerlegte man die riesige grüne Museums-Pentazet, um dem technischen Innenleben auf die Spur zu kommen und alles fotografisch dokumentieren zu können. 

Denn, so Thomas Wald zu den Museumsleuten: „Sehr viel Wissen dieser Geschichte ist schon verloren gegangen und manches auch falsch oder zumindest verfälscht überliefert worden. In den über 25 Jahren, die ich beruflich mit digitalen High-Speed-Kameras verbracht habe, habe ich mich immer für die Anfänge und Geschichte dieser Systeme interessiert, aber feststellen müssen, dass zwar sehr viel allgemeine detaillierteste Fachliteratur existiert, das Thema Hochfrequenz-Kinematographie aber immer etwas gesondert, oder nur in absoluten Fachbeiträgen, behandelt wurde.

Walds Buch solle „kein sprödes Fachbuch werden, sondern soll für jeden technisch interessierten Menschen lesbar sein – auch für jene, die noch nie mit High-Speed-Kameras in Berührung kamen.“ Es gehe um den Respekt vor den Entwicklern und wenigen Entwicklerinnen dieser Technik, ihren jeweiligen technischen Möglichkeiten und Hilfsmitteln. Zudem gelte es in Zeiten des Smartphones den allgemeinen Aufwand früherer Kamerasysteme bezüglich der Filmerstellung zu verdeutlichen. 

Chronologisch wird in dem Buch die Entwicklung dieser Systeme und deren jeweilige Besonderheit und Innovation aufgeführt. Dies erkläre sich dann auch anhand von Anwendungsbeispielen und Beispielbildern. Entsprechende Unterkapitel gehen dann technisch mehr in die Tiefe, ohne aber mit feinsten mathematischen Formeln zu langweilen. Wer noch tiefer in die Technik einsteigen möchte, bekommt entsprechende Literaturverweise.

Reise durch ein Stück Technikgeschichte

„Es geht in dem Buch auch teilweise um gesellschaftliche Normen, Geopolitik und vieles mehr,“ kündigt Wald an. In den letzten hundert Jahren seien viele Dinge passiert, die einen direkten Einfluss auf die Entwicklung der Hochfrequenz-Kinematographie hatten. Sein Ziel: „Eine gut lesbare Reise durch ein Stück Technikgeschichte mit Charakteren und Unternehmen unterschiedlichster Ausprägung“. Das Projekt ist auf zwei bis drei Jahre ausgelegt. Behandelt wird in dem neuen Fachbuch das Plecher Museumsexemplar der Pentazet 35 sowie analoge oder digitale Hochgeschwindigkeitskameras wie etwa die NAC High Speed 16 mm oder die digitale Weinberger SpeedCam+ 500.

Zur Museums-Pentazet 35 liegt eine reichhaltige Dokumentation des Herstellers nebst Gebrauchsanleitung im Museum vor, die Wald selbstverständlich auch für seine Forschungen zugänglich gemacht wurden. Aber der Fachmann wäre kein Fachmann, wenn er nicht noch eine Menge interessanter Details zu diesem Prunkstück der Sammlung beitragen könnte. 

Hintergrund zur Pentazet 35

Angefangen hat alles in den Ernemann-Werken in Dresden. 1916 wurde mit dem Hochfrequenz-Aufnahmekino „Zeitlupe“ die erste kommerziell verfügbare Hochgeschwindigkeits-Kamera der Welt vorgestellt. Zu Beginn schaffte das Gerät 500 Bilder pro Sekunde auf 35-mm-Film. Der optische Ausgleich der Bildwanderung bei kontinuierlichem Filmtransport wurde mit einem außenliegendem Spiegelkranz realisiert. Der Produktname „Zeitlupe“ hat sich im deutschsprachigen Raum bis heute als Oberbegriff für solche Kamerasysteme etabliert. Es gab vorher bereits diverse Ansätze und Einzellösungen, aber dies war die erste industriell gefertigte Kamera. Leider ist kein System mehr erhalten.

ernemann zeitlupe
Quelle: Archiv der Carl Zeiss AG, Jena

Nach dem Zusammenschluss mit anderen bekannten Firmen zur Zeiss-Ikon AG 1926, wurde 1928 die “Zeitlupe Modell 2” vorgestellt. Technisch deutlich verbessert und dank innenliegendem Spiegelkranz (30 Spiegel) deutlich kompakter. Und dies ist auch die Mutter der Plecher Museums-Kamera: 1.500 Bilder/Sekunde auf 35-mm-Film, in der letzten Ausbaustufe 1945 sogar 3.000 Bilder pro Sekunde dank neuem Spiegelkranz (60 Spiegel). Der 35-mm-Film hatte eine Lichtempfindlichkeit von 26 Scheiner-Graden (also etwa 18 DIN).

zeitlupe modell 2
Die Kamera "Zeitlupe 2", die 1928 mit deutlichen Verbesserungen auf den Markt kam, war die Vorläuferin der Pentazet 35 im Museum. Copyright: Thomas Wald.

Eine Objektbeleuchtung mit Kohlebogenlampen wie bei der der Museums-Reprokamera Falz & Werner oder mit einer Hochleistungsleuchte wie der Artisol von Zeiss Ikon (75 Ampere) war unumgänglich.

Namensrechte gingen in den Westen, Patente blieben im Osten

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Sitz der Zeiss Ikon AG rechtsgültig von Dresden nach Stuttgart verlegt. Damit waren alle Rechte, vor allem die Namensrechte, in Westdeutschland. Die Technik und Patente verblieben aber in Dresden. Nach diversen Umbenennungen bildetet sich aus den Dresdener Werken final der VEB Pentacon. Die „Zeitlupe Modell 2“ wurde weiterentwickelt und zunächst unter dem Namen „Zeitlupe ZL 1“ vertrieben. Nach einem Rechtstreit über die Namensrechte wurde die Kamera dann in Pentazet 35 umbenannt.

verglöeich zeitlupe 2 pentazet
Bild links: Die Innenansicht der Zeitlupe Modell 2 (1928). Rechts zum Vergleich die entsprechende Ansicht der Pentazet 35 (ab 1950).

Bei der Pentazet 35 wurde die gesamte innere Mechanik optimiert und um 90 Grad gedreht. Dies ermöglichte eine optimierte Anordnung des Antriebs und parallele Montage der Optik durch Reflexionsprisma. Durch neuere Spiegelkränze konnte die Aufzeichnungsgeschwindigkeit auf 40.000 Bilder pro Sekunde bei kleinstem Bildausschnitt erhöht werden. Die Produktion der Pentazet 35 wurde Anfang der 1970er Jahre eingestellt. In Westdeutschland wurde bei Zeiss keine Hochgeschwindigkeits-Kamera mehr entwickelt oder hergestellt. 

Ab den 1950er Jahren waren amerikanische Systeme mit Rotationsprisma (optischer Ausgleich der Bildwanderung) marktbeherrschend und deutlich einfacher und günstiger in der Produktion.