An freudige Überraschungen sind die Macher des Deutschen Kameramuseums in Plech eigentlich gewöhnt. Immer wieder kommen unangemeldet sonntags Besucher vorbei und liefern ihre Schätze ab. Karlheinz Lehmann aus Schwabach, ein pensionierter Fotograf in den Achtzigern, bot im März 2023 aber eine besondere Wette an: “Wetten, dass Ihr diese Kamera noch nicht in euerer Sammlung habt?” Normalerweise gewinnen wir, diesmal hatte der Besucher recht:
Eine “Folmer Graflex Finger Print Camera” aus den USA hatten wir bis dato tatsächlich noch nicht – noch nicht einmal irgendwo gesehen. Lehmann hatte, wie seine Ehefrau Inge, das Fotografenhandwerk gelernt, und ab 1968 rund 40 Jahre lang als Fotograf bei der Kripo gearbeitet. So fiel ihm damals schon eine seltsame Kamera in die Hände, die noch irgendwo herumlag, aber längst ausgemustert war und nicht mehr benutzt wurde: ein schwarzer Kasten aus Holz, groß wie eine Schuhschachtel, eine Plattenkamera, mit der viele Jahrzehnte Fingerabdrücke an Tatorten oder im Erkennungsdienst im Maßstab 1:1 fotografiert wurden.
Das Urmodell des Apparats wurde zwischen 1917 und 1929 (nach anderen Quellen ab 1919), von der Folmer Graflex Corporation in Rochester, N. Y., in den USA hergestellt, einer Firma, die später zum Kodak-Konzern gehörte. Die Negativgröße der Glasplatten beträgt 2 1/4 mal 3 1/4 Zoll (gut 6 x 8 cm), verwendet wurden auch passend zurecht geschnittene Negative aus Rollfilmen. Ein Modell war nach Berichten im Internet (Historiccamera.com) noch bis 1951 im Angebot des Herstellers. Die Kamera wurde “hauptsächlich für den Detektivdienst entwickelt” und eignete sich besonders zum Fotografieren von Mustern, Etiketten, Unterschriften – und eben auch Fingerabdrücken.
Fest eingebaut ist ein Kodak-Objektiv, ein Anastigmat mit einer Lichtstärke von 1:6,3 und einer Brennweite von 72 mm. Ausgelöst wurde mit einer außen angebrachten Taste, indem einfach die Objektivabdeckung eine gewisse Zeit zur Seite geschoben wurde – laut Bedienungsanleitung 6 Sekunden lang für beste Ergebnisse.
Das nötige Licht kommt von vier kleinen Glühbirnen, die von zwei Batterien mit je 4,5 Volt gespeist werden. Diese Lampen waren laut englischsprachiger Bedienungsanleitung speziell für diese Kamera konstruiert und konnten demnach auch nur von Folmer Graflex hergestellt werden. Im Museumsobjekt befand sich noch eine entsprechende Pertrix-Batterie.
Graflex produzierte übrigens auch eine baugleiche Kamera, die “Factograph Meter Reading Camera” zum Ablesen von Stromzählern und die “Inspectograph Camera”, die (bis auf die Stromversorgung über das Stromnetz) identisch sind.