Rollei Doppel-Rolleiflex für Stereoaufnahmen (6 x 6 cm)

stereo rolleiflex
Bild: privat

Leider kein Exponat im Deutschen Kameramuseum – aber wir waren sozusagen nahe dran: 2012 wurden uns von den Erben des Augsburger Geschäftsmannes und Reisefotografen Reimar Oesterlen (1925-1997) hochinteressante Fotoartikel fürs Museum angeboten. Kernstück: Sechs Hasselblad-Dia-Projektoren für das Diaformat 6 x 6 cm (Rähmchen: 7 x 7 cm) samt Zubehör für Diashows in Überblendtechnik, Stereo-Projektion und mit professioneller Vertonung, komplett auf einem eigens konstruierten Rack aus Metall. Dabei: etwa 100 Hasselblad-Rundmagazine mit zig Hundert Aufnahmen aus aller Herren Länder von Amerika bis Asien – aufgenommen mit einer speziellen Doppel-Rolleiflex-Kamera für Stereoaufnahmen, von der nur drei Prototypen gebaut worden waren. Und zwar eigentlich für Unterwasseraufnahmen.

Vorbild war das Rolleimarin-Gehäuse

1952 hatte der weltberühmte Unterwasserforscher und -Filmer Dr. Hans Hass (1919-2013) Rollei-Chef Dr. Reinhold Heidecke in Braunschweig überzeugt, ein Unterwassergehäuse für die Rolleiflex-Kameras bauen zu lassen. Schon Mitte 1954 konnten die ersten Exemplare des sogenannten “Rolleimarin” ausgeliefert werden.

Dr. Heidecke war von den Eigenschaften des Rolleimarin-Gehäuses für die Rolleiflex so begeistert, dass er noch 1953 seinen Konstrukteuren den Auftrag erteilte, zusätzlich eine Stereokamera für die Unterwasserfotografie zu entwickeln – selbstredend nebst dazugehörigem Gehäuse.

Zwei Automaten wurden “fusioniert”

Man baute also zwei Rolleiflex Automaten (K 4 A) so um, dass die in einem gemeinsamen Body vereinigt waren. Es gab nur einen (gemeinsamen) Lichtschachtsucher (hier im Bild aber ausgetauscht gegen einen Prismensucher), der Filmtransport war gekuppelt, ebenso die beiden Compurverschlüsse, sodass man die beiden Kameras mit je einem gemeinsamen Einstellrädchen für Zeit- und Blende bedienen konnte. Die Einstellung der Schärfe erfolgte ebenfalls für beide Kameras gemeinsam mit einem einzigen Entfernungsknopf.

Nur drei Prototypen der Doppel-Rolleiflex wurden gebaut

Ganze drei solcher Spezial-Stereo-Kameras und das dazugehörige UW-Gehäuse wurden als Prototypen hergestellt. Das erste Exemplar erhielt Hans Hass, der aber offenbar nicht den richtigen Zugang zu dieser Art des Fotografierens fand. Der Augsburger Fotograf sah nach einigen Jahren diese Kamera bei Hass und kam mit dem Forscher ins Geschäft. Oesterlen kaufte Hass die Doppel-Rolleiflex samt Unterwasser-Gehäuse ab, weil sie für seine Stereo-Aufnahme-Serien einfach ideal war. So kam der Apparat nach Augsburg und mit dieser Kamera wurden dann, wie sein Sohn Olaf Oesterlen weiß, die vielen Hundert Fotos erstellt, die der Augsburger Reisefotograf auf seinen Vortragsreisen bei seinen Stereo-Diaschauen mittels der sechs Hasselblad-Projektoren zeigte.

Für die Reisefotografie war – wie auf den Fotos ersichtlich – aus praktischen Gründen der standardmäßige Lichtschachtsucher gegen ein Sucherprisma ausgewechselt worden. Das UW-Gehäuse wurde nicht gebraucht und kam ins Gerätedepot.

Zig hundert Stereo-Aufnahmen aus der ganzen weiten Welt

Entstanden sind so beeindruckende Überblendschauen in Stereotechnik nach dem Polarisationsverfahren über die USA, besonders New York, über Kanada, Indien, Pakistan oder die Nord-Westpassage mit dem Expeditionsschiff Hanseatic, um nur einige Themen zu nennen – einmalige Bilddokumente in höchster Qualität. Die Erben des Fotografen, Olaf Oesterlen und Birgit Biswanger,  haben 2012 die Projektionsanlage samt Diaschauen, vorführfertig in Hasselblad-Rundmagazinen, samt Polarisationsbrillen und Tonbändern mit den Vortragstexten dem Deutschen Kameramuseum gestiftet. Hier wurden die Gerätschaften erst einmal gesichert und eingelagert.

Die Dia-Serien warten auf ihre “Wiedererweckung”

Im Deutschen Kameramuseum in Plech warten diese Schätze immer noch auf eine sachkundige Erforschung und Katalogisierung sowie darauf, vielleicht wieder mit den Hasselblad-Projektoren vorgeführt zu werden, wenn auch die dazugehörigen Tonbänder mit Musik und Texten nach so vielen Jahren vermutlich nicht wieder zum Laufen gebracht werden können.

Die besondere Stereo-Rolleiflex war bei diesem Augsburger Nachlass allerdings nicht mehr dabei, sie war wohl an einen Händler verkauft worden. Irgendwann verlor sich die Spur des Unterwassergehäuses und auch über den Verbleib der Doppel-Rolleiflex ist nichts weiter bekannt. Wohl aber kennt man laut Rollei-“Biograf” Claus Prochnow und seiner detaillierten Quellenforschung das Schicksal der anderen beiden Prototypen: Nummer 2 wurde zur praktischen Erprobung an einen Taucher verliehen, dem sie aber samt Ausrüstung verlustig ging, worauf sie jetzt auf dem Meeresboden möglicherweise ein neues Korallenriff bildet. Nummer 3 hatte einen Ehrenplatz im Rollei-Archiv und wurde nach dem Rollei-Konkurs dem Städtischen Museum Braunschweig überlassen – zumindest das Unterwassergehäuse, die Kamera darin ist nur eine Attrappe. Die Stereo-Rolleiflex dürfte demnach in der Eigentümerfamilie geblieben sein.

Dank dieser uns überlassenen Privataufnahmen vom Augsburger Exemplar können wir hier von dieser Kamera immerhin Fotos zeigen und nicht nur Zeichnungen aus Büchern oder Plänen. Diese Aufnahmen unterliegen dem Urheberrecht und dürfen nicht vervielfältigt werden.

kt. / 07.Mai 2024

Das könnte Sie auch interessieren:

Objektdaten

Tipp: Wenn Sie einzelne oder mehrere Merkmale auswählen, können Sie unsere Datenbank nach Objekten mit gleichen Merkmalen durchsuchen

ID Sammlung Kurt Tauber
100652
Fotoapparate analog Kategorie/Typ
Stereokamera, Rollfilmkamera, Spezialkamera
Firma / Produktion
Originalität
Prototyp / Sonderanfertigung
Fotografischer Film / Konfektion (Foto)
120 / 220 Rollfilm (B2-4 / B2-6 / B2-8 ab 1932)
Negativformat fotografischer Film
6 x 6 cm
Filmtransport
manuell
Entfernungsmesser
Nein
Belichtungsmesser
nein
Belichtungssteuerung
manuell
Objektiv-Anschluss
Objektiv fest eingebaut
Lichtstärke (bei Festbrennweite)
1:3,5
Festbrennweite (mm)
75
Fokussierung
manuell
Bildstabilisator Kamera
Nein
Verschlusstyp
Zentralverschluss
Blitz
Zubehör mit Kabelkontakt
Datenrückwand
Nein
Produktionszeitraum ab
1954
Entstehungszeitraum Dekade
1950-1960
Produktionsstückzahl
Nur 3 Prototypen
Gehäusematerial
Metall (Alu, Messing, Guss usw.), Belederung
Andere Objekte mit den gewählen Filterkriterien finden:
Suche starten