Das Deutsche Kameramuseum besitzt zwar auch eine echte Bolsey 8, aber das Objekt hier ist etwas genauso Interessantes: gewissermaßen das “Ur-Modell” dieser heute begehrten Sammlerkamera aus dem Nachlass des Erfinders und Konstrukteurs Peter Sarabèr aus Goslar, besser bekannt als Chef der Finetta Kamerawerke Goslar. Es handelt sich um keine wirkliche Kamera sondern “nur” um einen Dummy, genauer einen Aluminiumblock in Größe und Gestalt der späteren Bolsey, die als kleinste 8-mm-Filmkamera der Welt gilt mit ihren winzigen Abmessungen 82 x 65 x 34 mm (gemessen über alles). Jedenfalls ist das Ding noch um einiges kleiner als die spätere TELL CIN S 8 von Tellag, ebenfalls einer Konstruktion von Sarabèr. Meistens liest man in anderen Quellen von 79 x 30 x 65 mm, doch da dürften die reinen Abmessungen des Gehäuseblocks gemeint sein, wobei auch hier im Internet die Angaben schwanken.
Den Alu-Block ziert ein “Objektiv” mit den Daten “Finon Saraber 1:3,5/7”. Als die Bolsey 8 im Jahre 1955 tatsächlich für kurze Zeit in Goslar als “Bolsey 8 Finetta” hergestellt wurde, wurde die Optik “Sarabèr-Goslar Finon 1:2,8/7,5 mm” verbaut. Nach 1956, als Finetta in Konkurs gegangen war, kaufte Bolsey (USA) die Werkzeuge und vorhandenen Bauteile und fungierte fortan als Hersteller. Sarabèr war es nicht gelungen, eine deutsche Fotofirma als neuen Hersteller für diese Kamera-Sensation zu gewinnen. Von der Bolsey 8 gibt es viele Variationen, zum Beispiel als Bolsey Uniset oder auch als “Bolsey 8 Lady” (heute sehr selten) für das Vereinigte Königreich und manche unterschiedlichen Schreibweisen des Kameranamens.
Die Kameras verwendeten spezielle 7,5-Meter-Kassetten mit 8-mm-Normalfilm von Gevaert in Belgien. Der Federwerksmotor lief etwa 2 Minuten bis der Film voll belichtet war. Später, zur Zeit der USA-Produktion der Kamera, gab es auch diesen halbieren Doppel-8-Film für diese Spezialkassetten vom “Gelben Riesen” Kodak.
Die Dummy-Bolsey 8 (hier hieß sie noch “Bolsa 8”) stammt natürlich nicht aus den USA sondern aus Goslar. Sie sieht den späteren Serienmodellen aber verblüffend ähnlich. Der Name “Bolsa” des Prototyps setzt sich vermutlich aus den Anfangsbuchstaben der Nachnamen der beiden Konstrukteure und Geschäftspartner BOLsey und SArabèr zusammen. Die auf der Rückseite oben eingeprägte “Seriennummer” 27954 ist nach Erkenntnissen von Sarabèr-Forschern eben keine Seriennummer, sondern das Herstellungsdatum des Alu-Blocks: 27.9.54.
Es existiert – wie auch Finetta-Spezialist Heinz Veddeler in seinem Finetta-Fachbuch bestätigt – weltweit nur dieser eine Prototyp und der befindet sich jetzt in der Stiftung Kameramuseum Kurt Tauber in Plech.
In Goslar wurden von 1955 bis zum Konkurs 1956 etwa 600 bis maximal 800 dieser Filmkameras gefertigt, die seit Produktionsbeginn Bolsey 8 hieß und anfangs den Vermerk “Made by Finetta Germany”, später die Gravur “Made in Germany” trug.
Welche Filmkamera ist nun die kleinste?
Es gibt zwei Filmkameras aus der Ideenschmiede in Goslar, die sich scheinbar den Titel “kleinste Filmkamera der Welt” gegenseitig streitig machen: die hier beschriebene Bolsey 8 und die TELL CIN S 8. Dabei ist es ganz einfach: Die Bolsey 8 benutzt den bereits vor dem Konfektionieren längs aufgeschnittenen Doppel-8-Film (also das 8-mm-Format, wie es normalerweise später so in die Projektoren kommt) während die TELL CIN S 8 den Super-8-Film verwendet, allerdings nicht in der normalen Kassette wie übliche Super-8-Filmkameras, sondern ebenfalls in einer Spezialkassette.
Damit ist jede Goslar-Konstruktion auf ihrem Gebiet bis heute “die kleinste Filmkamera der Welt”, die Bolsey 8 ist und bleibt aber die “allerkleinste aller Klassen”.
Siehe auch:
- Alles über die Bolsey 8 aus Goslar mit Vergleich zum Prototyp
- Mehr interessante Exponate aus dem Sarabèr-Nachlass hier