Es gibt Abertausende von analogen Fotokameras aller Preisklassen und Techniken. Ingenieure übertreffen sich seit Jahrzehnten gegenseitig mit immer neuen Ideen und verbessern ständig ihre Produkte. Bis dann die chinesischen Erbauer dieser beliebt-berüchtigten Fake-Kameras namens Canomatic kamen und alles ganz anders machten. Aus hochentwickelten Fotogeräten wurden billigst zusammengeschusterte Machwerke: Diese Blender aus Fernost haben Bleiklumpen im Body, um gewichtige Technik aus Metall vorzutäuschen. Das versprochene "Zoom" oder ein verstellbares Zeitenrad, eine wie auch immer geartete Belichtungsmessung oder -Steuerung sucht man vergebens.
Die Lieblings-"Kamera" fliegender Händler
Eine Einordnung von Kurt Tauber
Zu haben waren diese Geräte der Canomatic-Familie nicht beim örtlichen Fotohändler oder beim seriösen Versandhandel sondern nur von fliegenden Händlern auf Autobahnparkplätzen aus dem Kofferraum ihrer Limousinen. Oder eben später bei eBay, wo diese Machwerke in der Regel wieder landeten, wenn die Käufer bemerkt hatten, auf welchen fabrikneuen Schrott sie beim Kauf dieser „professionellen Ausrüstung“ hereingefallen waren. Und wer die Anbieter oder Bieter bei eBay auf die Qualität dieser Produkte aufmerksam machte, wurde schon mal massiv bedroht. Der Pegnitzer Sammler und Journalist Kurt Tauber versuchte in den Neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts aufklärerisch zu wirken und bewahrte so manche Käufer vor großen Enttäuschungen bis die Drohungen mit „Schadensersatzklagen“ der Anbieter wegen entgangener Gewinne und vor allem die ziemlich realistisch vorgetragenen Ankündigungen eines nächtlichen Besuchs von Schlägertrupps überhand nahmen.
Auf seiner Homepage weist Tauber dennoch unbeeindruckt seit Jahrzehnten in drastischen Worten und mit schockierenden Detailfotos auf die „Qualität“ dieser Fake-Kameras hin. Sogar die Polizei warnte vor dem Kauf, Wikipedia ebenso wie eine eigene Homepage „Canomatic.de“ von besorgten Fotofreunden, die aber nicht mehr existiert. Canomatics sind berühmt-berüchtigt auch im Ausland. Bei eBay und bei diversen Kleinanzeigen-Portalen sind sie nach wie vor präsent – wenn auch mit deutlich niedrigerem Preisniveau als früher.
Zur Klarstellung:
Manche dieser Apparate sind tatsächlich zum Fotografieren auf einfachstem Niveau durchaus geeignet, aber es werden Eigenschaften versprochen oder vorgegaukelt, die definitiv nicht vorhanden sind. Man täuscht Marken vor und schadet damit diesen Firmen und führt natürlich auch den Käufer hinters Licht. Garantie und Gewährleistung? Fehlanzeige.
Woran erkennt man die Fake- oder Pseudo-Kameras?
Zunächst einmal: Diese Apparate sehen durchaus schön aus, wenn man bei Kameras barocke Formen liebt und nicht viel von Technik versteht: Das Design ist gefällig, die Apparate liegen gut in der Hand, die Ausstattung ist sehr umfangreich und vertrauenserweckend.
Aber dann wird man beim näheren Hinsehen doch stutzig und erkennt ungläubig, dass da was nicht stimmt:
- Es gibt keinen Hinweis auf den Hersteller (auch nicht in der Bedienungsanleitung), eine Garantiekarte oder eine Serviceadresse fehlen. Ein Typenschild ist nicht zu entdecken.
- Teilweise gibt es den Aufkleber, dass das Gerät nach den taiwanesischen Qualitätskriterien geprüft sei. Aber Papier ist geduldig. Aufkleber – etwa auf dem sogenannten Objektiv – lösen sich auch gerne ohne fremdes Zutun ab, einfach, weil der Kleber nichts taugte. Die Beschriftung ist teils haarsträubend unsinnig. Etwa wenn ein Filtergewinde von 15 mm angegeben ist, während das Objektiv vorne eine Öffnung von mehr als 60 mm aufweist. Oder wenn das Objektiv ein „Zoom“ sein soll, obwohl es doch 50 mm Brennweite haben soll und ein Fixfokus-Typ ist.
- Oder zeugt es von einem ernsthaften Bemühen des Herstellers, wenn es jeweils eine Handvoll verschiedener Modelle gibt, die jeweils identische „Seriennummern“ auf dem „Objektiv“ aufweisen? Besonders beliebt sind „624181“ und „198761“. Faulheit, Wurstigkeit, Unvermögen oder Dreistigkeit? Der Käufer wird’s schon nicht merken.
- Zweifel kommen einem auch, wenn man das Blitzgerät anschaut, das reichlich müde blitzt, eher mal kurz aufleuchtet. Schwenkt man den Reflektor aus Billig-Plastik nach oben öffnet sich eine ziemlich große Lücke, durch die man die gedruckte Leiterplatte und offene Kabel sehen kann. Nichts für Kinder-Hände und ganz sicher ohne TÜV-Segen oder CE-Zeichen.
- Vollends ernüchtert ist man, wenn man das Gehäuse aufschraubt und die „Bleieinlage“ entdeckt, die die Konstrukteure dem Body spendiert haben, damit das „Profi-Gerät“ besser in der Hand liegt. Die Kabel hängen kreuz und quer in der Luft, scheinen teils nur lackiert zu sein, nicht einmal mit einer Gummihülle ummantelt: Gruselig.
Sie glauben das nicht? Hier die schlagenden Bildbeweise
Das Pseudo-Zoom-Objektiv
Die „Zoom“-Bedienung der Canomatic-Typen im Video: Beim Drücken eines der beiden kleinen Knöpfe unterhalb des Auslösers (links im Bild) verstellt sich nicht die Brennweite des Aufnahmeobjektivs wie bei einem klassischen Zoom sondern es wird entweder ein Plastiktubus herausgeschoben oder eben wieder hineingezogen. Das verändert nicht die Brennweite sondern nur die Blende. Immerhin funktioniert der „elektronische“ Selbstauslöser. Das rote Lämpchen blinkt, während der Selbstauslöser abläuft. Video: Kurt Tauber
Seltsam: Die Franka JM-77 hat die selbe Beschriftung …
… wie die Ouyama 2000 N und komischerweise …
… hat die Kamachi 2000 N ganz die selbe Seriennummer am Objektiv.
Viel Phantasie hatten die Ouyama-Ingenieure auch bei der Remac …
… wirklich nicht. Auch die Pearl P-1 weist die 624181 als Seriennummer am …
… Objektiv auf. Und auch diese Damff X-700. Merkt ja vermutlich keiner.
Nichts für Kinderhände
Ein ungutes Gefühl beschleicht den Betrachter, wenn er so etwas sieht: Schwenkt man den Reflektor des mitgelieferten Blitzgeräts der Canomatic-Kameras nach oben öffnet sich im Gehäuse eine ziemlich große Lücke, durch die man die gedruckte Leiterplatte und offene Kabel sehen kann. Das ist auch nicht gegen Spritzwasser oder Staub geschützt und längst nicht mehr Stand der Technik, gerade bei Spielzeug. Also: Nichts für Kinder-Hände und ganz sicher ohne TÜV oder CE-Zeichen. Foto: Kurt Tauber
Und das ist die Krönung der Canomatic-Sünden:
Man könnte auch sagen: Außen hui und innen pfui. Die einschlägigen Canomatic-Apparate liegen nur deshalb so gut in der Hand und machen so einen soliden Eindruck, weil im Body meist zwei beachtliche Bleiklumpen eingebaut sind. Die “Elektronik” sieht eher nach der Bastelarbeit von Hauptschülern im Werkunterricht aus als nach einem professionellen Konzept.
Foto: Kurt Tauber
„Konzept mit hervorragenden professionellen fotografischen Eigenschaften“: Komplett nur 1.595 DM
Solche Kamera-Sets wurden zu gerne auf Autobahnparkplätzen als “Restbestände von Messen und Ausstellungen” an gutgläubige Autofahrer verkauft, die sich einreden ließen, ein Schnäppchen zu machen. Denn angeblich betrug die ehemalige unverbindliche Preisempfehlung (“UVP”) stolze 1.595,- DM und als “Ausstellungsstück” oder “Restexemplar” kostete der komplette Koffer “nur” einige wenige Hunderter. Wenn die Käufer ihren Irrtum dann zuhause bemerkten, versuchten sie oft, andere Interessenten bei eBay beim fälligen Wiederverkauf reinzulegen, um sich halbwegs schadlos zu halten.
Woher stammen nun die Canomatic-Hochstapler genau?
Bei den Fake- oder Spielzeugkameras der Marke Ouyama/Canomatic usw. handelt es sich um Produkte auf der Volksrepublik China, wo der 1982 gegründete taiwanesische Hersteller New Taiwan Photographic Corp. unter anderem OEM-Kameras und Kameras der Eigenmarke Ouyama sowie einfache Stative in einem Werk in der internationalen Industriemetropole Shenzhen, VR China, produzieren ließ und vielleicht noch lässt. Es sollen mehr als 100 verschiedene solcher Analog-Knipsen im Angebot gewesen sein. Teils unter der Eigenmarke Ouyama, meistens aber unter Phantasienamen oder den Namen der jeweiligen Auftraggeber. Das verkompliziert die Herkunftsbestimmung einzelner Geräte noch mehr, da in der Regel Herstellerangaben fehlen.
Trickreicher als die Polizei erlaubt
Die Offenbacher Kripo schätzte 2002 die Herstellungskosten für eine Canomatic in China auf ganze drei Euro
Die Tageszeitung „Offenbach Post“ warnte in ihrer Ausgabe vom Dienstag, 5. November 2002 mit diesem groß aufgemachten Artikel vor den „Offenbacher Kamera-Gaunern“, die „bundesweit Foto-Schrott verhökern“. Nach Erkenntnissen der Ermittlungsgruppe der Offenbacher Kriminalpolizei wurden die Canomatics in China für drei Euro hergestellt und nach Europa exportiert. Hier zahlten Großhändler etwa elf Euro für eine Kamera und brachten das ganze Set über Betrügerbanden für 200 bis 300 Euro unters Volk. Die Recherchen der Zeitung zu den Hintergründen fußen auf Gesprächen, die Oberkommissar Ridder damals mit Kurt Tauber führte. Bebildert wurde der Artikel mit einem Bildschirmfoto der Webseite www.kameramuseum.de, damals noch privat betrieben.
Die Canomatics haben sogar Eingang gefunden ins offene Web-Lexikon Wikipedia. Wieder ein Verbündeter im Kampf gegen Dumm- und Frechheit. Es sollte niemand überraschen, dass – erlaubterweise – Bilder unserer Homepage verwendet werden.
Es gibt übrigens einige wenige originale Fotoartikel von Canon (Japan) mit dem Namen „Canomatic“. Im Deutschen Kameramuseum sind davon bisher diese erfasst:
- Kleinbildkamera Canomatic M 70
- Objektiv Canon Super-Canomatic R 2,5/35mm